Gernot Quaschny
Gernot Quaschny ist ein Relikt einer einst großen Fischerbevölkerung an Elbe und Havel. Er ist einer der letzten hauptberuflichen Fischer im Land. Aufgewachsen an der Elbe, folgte der naturverbundene Altmärker schon zu DDR-Zeiten seiner Berufung und erlernte das Fischereihandwerk in einer Produktionsgenossenschaft der Binnenfischerei. Nach der deutschen Wiedervereinigung gründete Gernot Quaschny in einem Ortsteil von Schönhausen, in Hohengöhren, seinen eigenen Fischereibetrieb. Unweit seines Wohnhauses errichtete er die Wirtschaftsgebäude und einen Hofladen für den Verkauf.
Sein Fanggebiet ist der Elbe-Havel-Winkel, wo er eine Wasserfläche von ca. 500 ha bewirtschaftet. Darüber hinaus befischt er in der Region zwei große Naturseen: den Klietzer See und den Schelldorfer See. Der Berufsfischer übernimmt aber auch Aufgaben außerhalb seiner Fanggebiete. Vor geraumer Zeit war er auf dem Stausee der Rappbodetalsperre im Harz im Einsatz, um die im größten Trinkwasserspeicher Sachsen-Anhalts befindlichen großen Maränenschwärme mit Netzen abzufischen. Gernot Quaschny ist aber auch für die Wissenschaft tätig und ist in die Untersuchungsfischerei für Forschungseinrichtungen und Behörden eingebunden. Er nutzt als einziger Fischer im Land die Hamenfischerei. Ohne seine Hamenfänge gäbe es heute nur unzureichende Angaben zu Arten wie Lachs, Meerforelle, Fluss- und Meerneunauge. Für das Institut für Binnenfischerei in Potsdam fängt er Aale. „Die Wissenschaftler vermessen und markieren die Fische und können so ihre Wanderung verfolgen. Damit die Bestände wieder wachsen, werden regelmäßig junge Aale in der Elbe ausgesetzt“, erklärt der Fischer.
Gernot Quaschny arbeitet und lebt im Einklang mit der Natur und dem wechselnden Hoch- und Niedrigwasser des frei fließenden Flusses. Wind und Wetter, die Tageslänge und der Jahreszyklus der Fische bestimmen seinen Arbeitsrhythmus. Das periodisch anschwellende Wasser beunruhigt die Menschen im Elbe-Havel-Winkel nicht mehr. Sie leben im Schutz hoher Deiche, die zuverlässig die Ortschaften in den Niederungen vor der Überflutung bewahren. Im Jahr 2013 war das ganz anders. Das Hochwasser zog eine Jahrhundertflut nach sich. In der Nacht vom 9. zum 10. Juni 2013 konnte der Fischbecker Deich dem gewaltigen Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten und brach. Land unter in Fischbeck und Wust, in Schönhausen, Hohengöhren und Klietz. Auch Gernot Quaschny und seine Familie wurden Opfer der Überschwemmung. Binnen weniger Stunden verloren sie alles, was sie besaßen und sich aufgebaut hatten. Das Wasser strömte in das in einer Senke liegende Grundstück und stand wochenlang über zwei Meter hoch in den Gebäuden. Das Fischerboot aber schwamm auf dem Wasser und wurde zum Rettungsfahrzeug inmitten der Elbeflut. Obwohl selbst betroffen, war Gernot Quaschny in der Zeit der größten Not bis zur Erschöpfung im Einsatz, um zu helfen. Er rettete Wald- und Haustiere vor dem Ertrinken und fuhr immer wieder mit dem Boot zu den vom Wasser eingeschlossenen Orten, um die Zurückgebliebenen zu versorgen. Für seinen unermüdlichen Einsatz wurde der Fischer aus dem Elbe-Havel-Land mehrfach ausgezeichnet. Die höchste Ehrung war für ihn die Verleihung des Medienpreises Goldene Henne in der Kategorie Charity.
Heute erinnert auf seinem Grundstück in Hohengöhren nur noch ein ganz besonderes Bauwerk an die Katastrophe. Es ist ein großes Hausboot auf dem Trockenen, das der Fischer und seine Frau jetzt bewohnen. „Unsere Arche kann nicht untergehen und bei einer erneuten Flut Menschen und Tiere aufnehmen“, sagt Gernot Quaschny. Der Erwerb des für Wohnzwecke umgestalteten Arbeitsschiffes hat die Entscheidung leichter gemacht, auf väterlichem Besitz zu bleiben und noch einmal von vorn anzufangen.