Antje Lehmann
Es wird fleißig gebuddelt an der Baustelle für die A-14-Nordverlängerung. Bei Lüderitz rollen aber noch nicht die großen Baumaschinen. Leute mit Bagger, Spaten, Schippchen und Pinsel sind damit beschäftigt, auf der gerodeten Schneise den Erdboden zu durchforschen. Für die Archäologen ist das frei geräumte Baufeld ein traumhafter Arbeitsort. Die Wissenschaftler sind wie Möwen, die hinter einem pflügenden Trecker reichlich Futter finden. Jahrhundertelang wurde hier nicht gebaut, nicht gegraben. Keiner weiß genau, welche „Schätze“ in dem Erdboden schlummern.
Schon die ersten, bis zu 3000 Jahre alten Funde, lassen Susanne Friederich und ihr Team jubilieren. Sie stammen aus mehreren Epochen (Bronze-, Eisen-, römischer Kaiserzeit) und belegen, dass es hier auf einem Erdhügel im morastigen Umfeld eine bedeutende, lange bewohnte Siedlung gab. Gefäße für die Milchverarbeitung, Tassen, weitere Haushaltsgefäße, eine eisenzeitliche Fibel (Schmuckstück), zählt die Abteilungsleiterin Bodendenkmalpflege im Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege einige der 3000 bisher auf dem 4600 Quadratmeter großen Ausgrabungsfeld entdeckten Stücke auf.
„Für eine so kleine Fläche ist das unfassbar viel“, sagt die Chefarchäologin. Das Prunkstück, ein eisenzeitlicher Ofen, wurde gerade erst freigelegt. Er wird, wie alles hier, vermessen, fotografiert, dokumentiert, schließlich geborgen und abtransportiert. Wozu er genau diente, ob damit nur gebacken oder auch geheizt wurde, gilt es noch zu erforschen. Es folgen weitere Analysen im Labor. Für lange Untersuchungen vor Ort ist keine Zeit. Denn nach den Archäologen scharren die Straßenbauer bereits mit den Füßen. Für alles gibt es einen engen, vertraglich festgeschriebenen Zeitplan.
Drei Fundstellen, entsprechend drei Grabungsteams, gibt es an dem 15 Kilometer langen Bau-Abschnitt zwischen Dolle und Lüderitz – bisher. Knapp 20 Köpfe umfasst das aus Archäologen und technischen Mitarbeitern bestehende Lüderitzer Team.
Antje Lehmann reist täglich aus dem mehr als 80 Kilometer entfernten Dähre an. Für sie ist kein Arbeitsweg zu weit, denn die Altmärkerin hat ihren Traumjob gefunden. „Für mich ist jeder Tag spannend, weil ich nicht weiß, was rauskommt“, beschreibt sie ihre Motivation, bei Wind und Wetter, manchmal knöcheltief im Morast stehend, nach den Hinterlassenschaften unserer Altvorderen zu suchen.
Am spannendsten sei stets der Moment, wenn der Bagger die Fläche freilegt. Manchmal gebe es Grabungsstellen, wo partout nichts zu finden ist. An dieser sei das anders. „Hier ist es wahnsinnig interessant“, schwärmt die Archäologin. Etwa 50 Prozent der Arbeit spielten sich draußen ab. Der Rest seien Vor- und Nachbereitung, berichtet sie von ihrem Alltag. Wohl jeder ihrer Kolleginnen und Kollegen träume davon, etwas „Sensationelles“, wie die Himmelsscheibe von Nebra, zu finden. Jeder habe aber auch sein persönliches „Highlight“. „Mein Bestoff-Objekt, eine goldene Fibel, habe ich schon bei meiner allerersten Grabung gefunden“, schmunzelt Antje Lehmann.